Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz

Starreporter berichtet über Höfer-Affäre

Westerwälder Zeitung vom 10.05.2017

Schüler des Landesmusikgymnasiums treffen auf Zeitzeugen und Autor Harald Wieser

(Martin Boldt) Eine überaus spannende Geschichtsstunde mit tiefen Einblicken in die Arbeit eines Spitzenjournalisten erlebten jetzt die Schüler der Klassenstufe 10 am Landesmusikgymnasium in Montabaur. Gast im Rahmen des schulinternen „Zeitzeugen“-Projektes war der frühere Autor des Nachrichtenmagazins „Spiegel“, Harald Wieser. Er berichtete den Jugendlichen über die von ihm 1987 ausgelöste Affäre um den Moderator Werner Höfer, der zu jener Zeit das TV-Format „Internationaler Frühschoppen“ leitete. „Er galt damals als Außenminister des deutschen Fernsehjournalismus“, so der 67-Jährige.

Wiesers Recherchen sorgten auch deshalb für großes Aufsehen, da sie die oftmals mangelhafte Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik nach 1945 entlarvten. Der konkrete Vorwurf im Falle Höfer: Als junger Journalist einer Berliner Tageszeitung betätigte sich dieser in unzähligen Artikeln und Hetztiraden an der Nazipropaganda und förderte so das Denunziantentum.

Auch die Hinrichtung des talentierten Pianisten Karlrobert Kreiten am 8. September 1943, dieser Nachweis gelang Wieser, verteidigte Höfer im „12 Uhr Blatt“ auf das schärfste, sprach ihm gar das Lebensrecht ab. Kreitens Vergehen: In der Wohnung einer Freundin der Mutter, bei der er Klavier üben durfte und die ihn seit seiner Kindheit kannte, hatte er sinngemäß gesagt, dass der Krieg praktisch schon verloren sei und Deutschland und seine Kultur vor dem Untergang stünden. Kreiten wurde daraufhin bei der Gestapo denunziert, vier Monate später vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und vier Tage später wegen „Feindbegünstigung“ und „Wehrkraftzersetzung“ in Plötzensee zusammen mit 186 anderen Verurteilten erhängt. (…)

Einige der Schülerfragen drehten sich vor allem um die damaligen Arbeitsbedingungen Wiesers: „Ich hatte das Privileg, den Vertrag nur mit der Chefredaktion zu haben“, erklärte der studierte Soziologe. Für die Recherche im Fall Höfer habe er sich daher fast vier Monate regelrecht einschließen dürfen. „Ein großer Luxus, der sich aus der Aufklärungsmentalität beim Spiegel speiste.“ 

Der neunseitige Essay von 1987 wirkt selbst heute noch nach: Moritz von Bredow, der sich als Vermächtnisverwalter von Kreitens Werk sieht, ließ genau jenes Konzert, das wegen der plötzlichen Verhaftung des 27-Jährigen unaufgeführt blieb, bis heute in acht deutschen Städten nachholen. Als Pianist engagiert wurde Florian Heinisch. Ein Gastspiel des Musikers in der Mons Tabor Halle anlässlich des 75. Todestages Kreitens in Kooperation mit dem Landesmusikgymnasium ist bereits zugesagt und soll 2018 stattfinden.