Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz

art of the voice + musica viva

Alle lieben Brahms – das war unüberhörbar. Chor- und Orchesterkonzert des LMG in Bendorf

musica viva(PAB, 10.03.2024) „Lieben Sie Brahms?“ Das ist der Titel eines Klassikers der modernen französischen Literatur, verfasst von Françoise Sagan, in deutscher Übersetzung erstmals 1959 veröffentlicht. An den Romantitel, längst zum geflügelten Wort geworden, mag die eine oder der andere im erfreulich zahlreich erschienenen Publikum gedacht haben, das sich am ersten Sonntag im März in der Krupp’schen Halle in Bendorf eingefunden hatte. Denn mehr als die Hälfte der auf dem Programm stehenden Werke stammten von Johannes Brahms – dem Komponisten, der Anfang September 1853 als junger Mann von 20 Jahren auf einer Wanderung entlang des Rheins just durch Bendorf kam („Ueber Vallendar, Bendorf, Mühlhofen u. Engers […] nach Neuwied“, notierte er unterwegs). Einen passenderen Veranstaltungsort hätte es für das Chor- und Orchesterkonzert mit Brahms-Schwerpunkt also kaum geben können.

In seiner Begrüßungsansprache hob Schulleiter Dr. Udo Rademacher die hervorragende Akustik und das besondere Ambiente des Industriedenkmals Sayner Hütte hervor, das den Oberstufen-Ensembles eine Bühne zur Präsentation ihres nach Corona neu erreichten Leistungsstandes bot. Den Auftakt bildete der 1. Satz aus Antonin Dvořáks Streichquartett Nr. 12 F-Dur op. 96, zu Gehör gebracht vom „Dresdenquartett“. Mit der Wahl dieses Stücks aus der Feder des tschechischen Nationalromantikers, der von Brahms gefördert wurde und mit ihm befreundet war, bewiesen Jan Feldmann, Janine Charton, Feline Just und Leo Ramroth (alle MSS 13) eine glückliche Hand, mit der musikalischen Darbietung nicht minder. 

la filiaAuf diesen Instrumentalbeitrag folgte der Mädchenchor „laFilia„, geleitet von Raimonds Spogis, der den Brahms-Reigen dieses Konzertnachmittags mit zwei seiner deutschen Volkslieder für Frauenchor eröffnete (WoO 37,1 und WoO 36,4). Dirigiert von Mathias Charton, schloss sich der Kammerchor des LMG mit wunderbaren Interpretationen zweier Brahms-Lieder an, Waldesnacht op. 62, 3 und Nachtwache Nr. 2 op. 104, 2. Damit machte „Art of the Voice“ seinem Namen alle Ehre: das war Stimmkunst auf höchstem Niveau. Nie zuvor habe ich den Kammerchor so nahe der Perfektion: klangsatt, voll und ausgewogen in den hohen wie in den tiefen Lagen, fein abgestuft in der Dynamik, wahrgenommen wie bei diesem 5-Uhr-Konzert in der Sayner Hütte. Wer nicht dabei war, hat wirklich etwas verpasst. Und wenn es in prekären Zeiten wie den gegenwärtigen so etwas wie den „Trost der Schönheit“ (Gabriele von Arnim) durch Musik gibt – geben kann, dann war er hier zu erleben. Dabei konnte sich „Art of the Voice“ beim meisterlichen, so ganz und gar nicht „typisch Schulchor“-mäßigen Vortrag des Abendlieds von Joseph Gabriel Rheinberger (op. 69,3) und des 43. Psalms op. 78, 2 von Felix Mendelssohn Bartholdy sogar noch steigern.

art of the voiceEin besonderes Lob verdienen an dieser Stelle die beiden Moderatorinnen Hannah Balser und Julia Hübinger, die ebenso sachkundig wie angenehm mätzchen- und platitüdenfrei durch das Programm führten. Überdies waren sie als Akteurinnen an seinem Gelingen beteiligt.

musica viva 2Nach der Pause wurde das Publikum mit weiteren großartigen Hörgenüssen beschenkt. Zunächst mit dem – so das Moderatorinnenteam – „sehr reizvollen“ Geistlichen Lied op. 30 von Johannes Brahms in einer Fassung für Chor und Orchester von Mark Gotham, ausgeführt von „Art of the Voice“ und der Kammerphilharmonie „musica viva„, die sich auch ganz am Schluss noch einmal zusammentaten bei „Siehe, der Hüter Israels“ aus dem Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Sodann mit Brahms‘ Variationen über ein Thema von Joseph Haydn op. 56a, auf deren „hohes Ohrwurm-Potenzial“ man von den Moderatorinnen in ihrer klugen und pointierten Einführung wohlvorbereitet wurde. Die glänzend aufgelegte Kammerphilharmonie unter der bewährten Leitung von Tobias Simon konnte eindrucksvoll demonstrieren, „was sie drauf hat“, wie eine Konzertbesucherin angetan äußerte. Von den InstrumentalistInnen, die mit enormer Spielfreude zu Werke gingen, sprang der Begeisterungsfunke auf die Zuhörerschaft über. „Ich war entzückt und hingerissen von der herrlichen Musik“, urteilte schon 1873 einer der frühesten Ohrenzeugen, Brahms‘ Schriftsteller-Freund Klaus Groth, über die Uraufführung der acht Variationen. Ganz ähnlich erging es dem Mehrgenerationen-Publikum am vergangenen Sonntag in der Krupp’schen Halle in Bendorf. Alle lieben Brahms – das konnte man am heftigen Applaus auch für dieses neue Bravourstück von „musica viva“ deutlich spüren.