Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz

Das chinesische Heideröslein

Nassauische Neue Presse vom 13.03.2017 

(Anken Bohnhorst-Vollmer) Wie klingen chinesische Volkslieder möglichst chinesisch – und wovon handeln sie eigentlich? Um das zu vermitteln, besuchte eine Chinesisch-Lehrerin einen Chor vom Landesmusikgymnasium, der sich demnächst auf Tournee durch die Volksrepublik begeben wird.

Frau Sun ist zufrieden. Etwa zwei Dutzend Mädchen stehen um sie herum und lassen sich von ihr dirigieren, produzieren ungewöhnliche Koloraturen und fremd klingende Melodien. Frau Sun zeigt mit den Daumen nach oben, „gut gemacht“, und nickt anerkennend. Jiandong Sun kommt aus Peking. Seit einiger Zeit unterrichtet sie ihre Muttersprache an einem privaten Gymnasium im Westerwald. Die Mädchen, mit denen sie jetzt übt, sind allerdings nur für einen Nachmittag ihre Schülerinnen. Sie besuchen das Landesmusikgymnasium, singen im Mittel- und Oberstufenchor La Filia und unternehmen in wenigen Wochen gemeinsam mit Chorleiter Martin Ramroth eine Konzertreise nach China. Drei chinesische Lieder haben die Sängerinnen im Repertoire, und die sollen im Land ihrer Gastgeber möglichst auch verstanden werden. Deswegen ist Frau Sun nach Montabaur gekommen.

Richtige Betonung

Und deshalb versuchen die Mädchen Textzeilen wie „Rang wo men dong qi“ immer wieder, lassen die Laute kaskadieren und probieren unentwegt verschiedene Betonungen. Denn auf die Betonungen kommt es bei der chinesischen Aussprache an, sagt Frau Sun. Für jedes Wort gibt es mehrere Ausdrucksweisen, die dem Gesprochenen jeweils einen anderen Sinn und Inhalt verleihen.

Es ist, als würde man die Buchstaben mit mindestens vier Himmelsrichtungen ausstatten, die allerdings letztlich doch irgendwie zusammenfließen. So jedenfalls könnte man das Dirigat von Frau Sun verstehen, die die Mädchen mit sehr elegant geschwungenen Bewegungen durch die Lautereignisse navigiert.

„Rang wo men dong qi“ und etwas später „Shuang Ziang“. Die Sängerinnen haben sich an die richtigen Betonungen herangetastet und ihre Notenblätter mit lautschriftlichen Ergänzungen versehen. Aber, fragt die Lehrerin unvermittelt: „Wisst ihr eigentlich, was ihr da singt?“ Die Mädchen sind ratlos, wenngleich nicht überrascht. Die melodische Sentimentalität, die sie mittlerweile mit bemerkenswerter Souveränität nachempfinden, beschreibe eine Jasmin-Blume, erklärt Frau Sun. Diese Jasmin-Blume, heißt es in dem Lied, sei die schönste Blüte des Gartens. Und sie werde nicht nur umschwärmt. Vielmehr hätte sie jeder Betrachter gern zum eigenen Schmuck, muss aber fürchten, dass dann das Pflänzchen im nächsten Jahr nicht mehr knospen werde, fasst die Expertin den Inhalt zusammen, der fast ein wenig wie eine chinesische Version von Goethes „Heideröslein“ klingt.

Vorbereitungskonzert

Das Auftaktkonzert der Reise gibt der Mädchenchor La Filia am 6. April in Shanghai; die Mädchen singen anschließend sieben weitere Konzerte und beschließen ihre Tour am 17. April in Fuzouh, der Hauptstadt der rheinland-pfälzischen Partnerprovinz Fujian. Wer das chinesische Sprachverständnis des Chores vorher erleben möchte, hat dazu bei einem Vorbereitungskonzert am Sonntag, 26. März, um 17 Uhr in der Aula des Mons-Tabor-Gymnasiums Gelegenheit. Dann gibt es chinesische Musik und anspruchsvolle Werke europäischer Chortradition zu hören, außerdem Gospel- und Folklore-Arrangements aus aller Welt. Begleitet wird La Filia von Walter Born, Garant für Qualität und Groove jenseits aller Sparten und Genres. Der Eintritt ist frei, es wird jedoch um Spenden gebeten – für das China-Projekt.