Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz

Die Musiker/innen der Marching Bands vom 28. Juni 2019

Gedenkkonzert vom 28. Juni

(BEU, 11.09.2019) Am 28. Juni 2019 veranstalteten Schülerinnen und Schüler des Landesmusikgymnasium ein bemerkenswertes und auch für diese Schule mit reichhaltigen Erfahrungen in allen Musikrichtungen bisher einzigartiges Konzert: Zwei von Stefan Kohmann (Schlagzeug) und Andreas Steffens (Big Bands) geleitete Marching Bands zogen durch Montabaur, um auf den hundertsten Jahrestag des Friedensvertrags von Versailles und den damit in direktem Zusammenhang stehenden Tod des US-amerikanischen Fliegeroffiziers Walter H. Schulze zu erinnern. Dabei hat das Landesmusikgymnasium eigentlich gar keine Marching Bands, sondern diese wurden in einem Kooperationsprojekt zwischen der gymnasialen Abteilung (Geschichte) und der Instrumentalabteilung (Schlagzeuger und Blechbläser) extra für dieses Gedenkkonzert aus den Schülerinnen und Schülern der beiden Instrumentallehrer aufgestellt.

Den historischen Hintergrund des Konzerts bildete die US-amerikanische Besetzung des „Coblence Bridgehead“ nach dem Waffenstillstand vom November 1918, die letztlich nur eine Zwischenstation darstellte, bis entweder ein Friedensvertrag abgeschlossen wäre oder das Deutsche Reich als Verlierer des Krieges von den Siegermächten vollständig besetzt würde. Nur im Kontext dieser Lösung der politischen und persönlichen Spannung nach 4 1/2 Jahren Krieg und 1/2 Jahr Besatzung ist die Tragödie von Captain Walter H. Schulze zu verstehen, der nach Abwurf des Peace Bulletin an die Besatzungstruppe in Montabaur selbst den Tod fand. Der Überbringer der Friedensbotschaft, der „Peace Messenger“, ist tot, sein junges Leben, seine Hoffnungen sind zerstört, seine Familie trauert. Die Empfänger der Botschaft empfinden diesen Widerspruch, freuen sich aber auf die Heimkehr.

Wie seit Dezember 1918 die Soldaten der Besatzungstruppe und die Einheimischen nach und nach doch miteinander in Berührung kamen und sich die beiden Kulturen kennenlernten, so marschierten die beiden Marching Bands unter der 48-Sterne-US-Flagge von 1919 (mit dem Titel „When we stand together“) und unter der 1919 gerade wieder eingeführten schwarz-rot-goldenen deutschen Flagge (mit dem Titel „Fireball“) von beiden Seiten der Fußgängerzone aufeinander zu und bildeten dann auf dem Großen Markt eine gemeinsame Band, die mit einem Arrangement auf „Oh when the Saints …“ die überraschten Passanten grüßte.

Zum Abschluss dieses Platz-Konzerts wurde von einem Bläserquartett (Sarah, Arda, Steffen, Janne) wahrscheinlich zum ersten Mal seit Anfang der 1920er-Jahre der „Souvenir Song“ vorgetragen, allerdings nach einer von Andreas Steffens extra für dieses Gedenkkonzert neu arrangierten Melodie. Der Souvenir-Song von Woodward Trahern und Anton Dünchem „On the Rhine“ verklärt 1919 nach dem Friedensvertrag einerseits die Aussicht der US-Soldaten auf baldige Heimkehr („you’ll leave with a cheer“), sieht aber auch schon voraus, dass man sich schon bald an die schönen Tage am Rhein und im Westerwald zurücksehnen wird, denn man werde sich nicht nur wehmütig an das typische Kommissleben erinnern, sondern eben auch an den Kontakt mit den Deutschen, vor allem mit den „Fräuleins who had such dreamy eyes“ und am meisten an das gute deutsche Lager-Bier.

Das Lebensgefühl der jungen US-Soldaten von 1919 wurde dann 100 Jahre später nur einen Steinwurf vom Absturzort des „Peace Messenger“ und von der Gedenksäule am Wolfsturm durch die beiden Big Bands des Landesmusikgymnasiums, das Blue Berry Jazz Orchestra und das Yellow Tone Orchestra unter Leitung von Andreas Steffens durch jazzige Rhythmen musikalisch dargestellt. Und als absoluter choreographischer Höhepunkt wurden aus einem historischen Doppeldecker Reprints des Flugblattes von 1919 über dem Wolfsturm abgeworfen.

Und auch über einen überraschenden Nachklang des Gedenkkonzert soll noch kurz berichtet werden: Ein Geschichtelehrer der ehemaligen Schule des abgestürzten Piloten hatte im Internet davon erfahren und machte wenige Wochen nach dem Konzert auf seiner Europatour einen Abstecher nach Montabaur, um den Absturzort und die Gedenksäule persönlich zu besuchen.

Damit hat eine langjährige historische Arbeit einen sehr befriedigenden Abschluss gefunden, die 1992 mit der Teilnahme einer kleinen Gruppe von drei Schülerinnen am Geschichtswettbewerb begann[1], dann durch mehrere Jahre fortgeführt wurde[2] und 2016 in die Wiederaufstellung einer Gedenksäule für Captain Schulze mündete[3].

 

 

[1] Der Wettbewerbsbeitrag von Britta Kuhnen / Barbara Metternich / Kerstin Thiede „Denkmal  –  Zerstörung und Errichtung von Denkmälern in Montabaur 1933-1945“, Montabaur 1993, untersucht unter anderem die Entfernung einer 1922 für den „Peace Messenger“ aufgestellten Gedenksäule im „Dritten Reich“.

[2] C.P. Beuttenmüller, „Der Tod des Friedensboten“, in: „Wäller Heimat“, Jahrbuch des Westerwald-Kreises, Montabaur 2010

[3] Initiiert von Jannik Henkes und Moritz Wetzlar als Beitrag zum Wandelkonzert des Landesmusikgymnasiums anlässlich der 25-Jahr-Feier des Landesmusikgymnasiums und der 725-Jahr-Feier der Stadt Montabaur am 3. Juli 2016