Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz

Auschwitz, 27.1.1945, Der Tag der Befreiung

(SMU, 28.01.2020) Die Schülerinnen und Schüler der 12 jahrgangsstufe erinnerten in einer beeindruckenden Gedenkveranstaltung an den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Im 10. Schuljahr waren die meisten der Jahrgangsstufe bei den Tagen der Orientierung für eine Woche in Oswiecim und Krakau. Dort sammelten sie nachhaltig Eindrücke von den grausamen Taten, die in der industriellen Vernichtungsmaschinerie von Auschwitz geschehen sind.

 

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„Als du aus dem Zug stiegst,

wusstest du gleich,

dass die Welt nicht mehr da war,

sich abgekehrt hatte,

geblieben war bloß ein gigantisches Grau!

Man knüppelte dich nach links, rechts war der Tod.

Man entkleidete dich deiner Menschlichkeit,

du wurdest zu einer Nummer.

Lily Brett

 

Ruth Webber, eines der Kinder, die am 27.1.1945 befreit wurden:

„Ich weiß noch, wie wir in Auschwitz in der Baracke saßen und uns überlegt haben, was wir den Deutschen antun würden. Aber dann sagten wir uns: Wenn wir das täten, dann wären wir genauso schlimm wie sie.“

 

Die Erinnerung an die Toten wurde abgeschlossen durch das jüdische Totengebet „Kaddish“.

 

Im Anschluss daran rief Simeon Stammberger in einer eindrucksvollen Rede dazu auf, aus der Vergangenheit zu lernen und verantwortungsvoll die Zukunft zu gestalten. Hier der Text seiner Rede:

Wie kein anderer steht der Name Auschwitz heute stellvertretend für die Grausamkeiten und den Terror des Nationalsozialistischen Regimes. Über eine Millionen Menschen fanden dort in einem Zeitraum von nur etwa fünf Jahren unter schlimmsten Bedingungen den Tod. Durch Mangelernährung, Krankheiten, Gewaltausbrüche des Wachpersonals und pseudowissenschaftliche Experimente, aber vor allem den industrialisierten Massenmord in den Gaskammern. Der Großteil, der aus ganz Europa stammenden Opfer waren Juden, aber auch Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Kriegsgefangene, Kranke, Behinderte und  Oppositionelle wurden von den Nationalsozialisten mit ihrer verbrecherischen, verblendeten Ideologie zu Feinden erklärt und verfolgt, ihrer Menschenwürde beraubt, gequält und umgebracht. All das aus der Überzeugung heraus, das Leben mancher Menschen sei mehr wert als das anderer.

Die Soldaten der Roten Armee konnten heute vor 75 Jahren nur noch einige wenige der Gefangenen retten. Von den 60.000 Menschen, die im Lagerkomplex Auschwitz noch kurze Zeit zuvor gelebt hatten, waren lediglich knapp 7.000 zurückgelassen worden. Der große Rest wurde, wie von so vielen anderen Lagern aus auch, von der SS auf Todesmärsche gezwungen, wo viele von ihnen an Entkräftung, Hunger und Unterkühlung starben oder hingerichtet wurden.

1996 erklärte der damalige Bundespräsident Roman Herzog den heutigen Tag zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, von den Vereinten Nationen wurde dieser Termin 2005 übernommen.

75 Jahre sind weniger als die durchschnittliche Lebenserwartung hier in Deutschland. Und doch gibt es Menschen, die schon lange argumentieren, es reiche doch langsam auch mal mit der Gedenkkultur. „Einen Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“, nannte der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die Zeit der Nationalsozialistischen Herrschaft. Dem gegenüber steht die Erklärung des Bundespräsidenten in der es heißt: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muß auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“.

Und daraus erwächst ein Auftrag für uns, als junge Generation, als Zukunft dieses Landes. Der Antisemitismus steckt noch immer in den Köpfen der Menschen. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit der Universität Bielefeld stimmen 40% der Befragten antisemitischen Äußerungen zu. Man wirft den Juden vor, sie nutzten aus, was ihnen damals Schreckliches widerfahren ist oder man versteckt den Hass hinter Kritik an der Politik Israels. Die Anonymität des Internets gibt Menschen das Gefühl, ihren Anfeindungen ungestraft freien Lauf lassen zu dürfen. Vielleicht ist unsere Demokratie nicht akut in Gefahr, aber aus unserer Vergangenheit heraus sind wir gemahnt, wachsam zu bleiben.

Der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte bei seiner Rede zum heutigen Anlass vor fünf Jahren: „Für die schreckliche Vergangenheit unseres Landes sind die Nachgeborenen nicht verantwortlich, für den Umgang mit dieser Vergangenheit aber schon.“ Das Erinnern ist nicht nur Selbstzweck, es soll uns auch zur Vorsicht mahnen, in einem Land, in dem Demokratie und Minderheitenschutz schon einmal entschieden versagt haben. Und diese Vorsicht ist auch im Alltag eines jeden von uns gefragt, denn da beginnt die Verharmlosung. Was wir auf den ersten Blick vielleicht nur als dummen Scherz wahrnehmen, aus Freude an der Provokation und Gedankenlosigkeit, verschiebt Schritt für Schritt eine Grenze. Und das birgt die Gefahr, dass aus tolerierten Worten tolerierte Taten werden.

Wir müssen also heute unsere Stimme erheben, damit nicht morgen die Stimmen der Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenwürde verstummen.“