Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz

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„Wir wollen etwas Großes machen“

Westerwälder Zeitung vom 29.05.2018

Schüler der Rudolf-Steiner-Schule und des Landesmusikgymnasiums setzen „Manu, Moses & More“ in Szene

(Markus Müller)  Vor langer, langer Zeit war die Welt noch nicht – diesen Prolog singt der Chor vor der dunklen Bühne, noch ehe das Schöpfungsepos mit „Es werde Licht“ einsetzt. So beginnt das eurythmisch-sinfonische Theaterprojekt „Manu, Moses & More“ der Rudolf-Steiner-Schule Mittelrhein in Neuwied und des Landesmusikgymnasiums Rheinland-Pfalz in Montabaur, das jetzt mit zwei Vorstellungen in der Stadthalle Ransbach-Baumbach abschloss. 

Doch noch befinden sich Tänzer, Musiker und Sänger in der Turnhalle – und dunkel ist es auch nicht. (…) Es ist gar nicht so einfach, die quirlige Menge aus Kindern und Jugendlichen von der dritten bis zur zwölften Klasse nicht nur unter Kontrolle zu halten, sondern ihnen auch zu vermitteln, was ihr Spiel (und das aller Mitwirkenden) im Sinne der Eurythmie bedeuten und vor allem auch vermitteln soll: einen eigenen Beitrag zu den großen Ereignissen in der Welt leisten. (…)

Und wie kam es überhaupt zu dem groß angelegten Eurythmieprojekt? Silvia Vögele erzählt: „Vor zwölf Jahren wurde an mich und meinen Mann Winfried, Lehrer am Musikgymnasium, aus Dornach in der Schweiz der Wunsch herangetragen, ob wir für die Weltlehrertagung etwas Großes machen könnten.“ Dadurch entstand 2008 „The Song of Waitaha“, dem fünf Jahre später „Guarani“ nach dem Schöpfungsmythos der südamerikanischen Indianer, folgte. Dieses Projekt führte viele Schüler beider Bildungseinrichtungen sogar in die Favela Monte Azul in Sao Paulo.

„Im aktuellen Fall beschäftigte mich unsere eigene Schöpfungsgeschichte“, berichtet Silvia Vögele. „Ein Weckruf für mich, mich mit der eigenen Religion und Kultur auseinanderzusetzen, waren die Flüchtlingsströme 2015/2016. Und der Weg in die andere Richtung: Weihnachten 2016 waren mein Mann und ich zum ersten Mal in Israel. Und viele Jahre zuvor waren wir auf der Insel Patmos dem Johannesmysterium nachgegangen.“ (…)

Vögeles Ziel war es, einen Text zusammenzufassen, der für Kinder und Jugendliche verständlich und stimmig ist. Die Mythen und Mysterien der christlich-abendländischen Kultur sind Grundlage für die Inszenierung mit Eurythmie, Schauspiel, Sprechchor und Rezitation. Eigens dafür komponierte Winfried Vögele, der erst nach der Israelreise für das Projekt Feuer gefangen hatte, eine sinfonische Musik für Orchester und Chor. (…) In der Neuwieder Waldorfschule wurde das Projekt insbesondere durch die Angliederung an die Ganztagsschule möglich: An verschiedenen Nachmittagen übten Kinder die Choreografien ein. An „Nähsamstagen“ schneiderten Eltern und Lehrerinnen Kostüme; Bühnenbilder wurden gestaltet.

Ganze Wagenladungen an Kostümen stehen jetzt vor der Turnhalle bereit. Nicht nur das Umziehen muss schnell gehen, sondern die Zeit drängt: nur noch zwei Tage bis zur Aufführung in Ransbach-Baumbach…

 

Tänze, Farben, Gesang und Musik begeistern

Mit viel Gefühl inszenierter Schöpfungsmythos füllt Stadthalle Ransbach-Baumbach gleich zwei Mal

Zu Beginn der Aufführung von „Manu, Moses & More“ ist es ganz dunkel in der Stadthalle Ransbach-Baumbach. Leise setzen die Musik des Sinfonieorchesters (Leitung Winfried Vögele) und der Gesang des Gospelchors (Leitung Walter Born) ein und führen hin zur Genesis, bei der es dann natürlich Licht wird. Die Schüler der Waldorfschule aus Niederbieber haben ihren ersten Einsatz als Wasser und allerlei Getier. Doch die ersten sechs Tage der Schöpfung sind schnell vorbei: Mit dem siebten Tag spielt der Mensch seine Rolle, die von Luzifer und dem Erzengel Michael beeinflusst wird. 

Sehr eindrucksvoll stellen die Schüler mit ihrer Bewegungskunst die Versuchung durch die hervorragend getanzte Schlange und die Vertreibung aus dem Paradies dar. Immer wieder setzt Vögele seine 80 jungen Musiker aus der 7. bis 13. Klasse genauso ganz punktgenau oder eben als gewaltiges Sinfonieorchester ein. Walter Borns rund 70 Sängerinnen und Sänger haben mit dem Gesang keine Probleme, dafür aber mit der großen Hitze im Saal.

Perfekt rezitiert Silvia Vögele die Bibelstellen, die jetzt gerade bei der Sintflut wieder für ein eindrucksvolles Erscheinungsbild auf der Bühne sorgen: Unmassen der verschiedensten Tierarten in einfallsreichen und künstlerisch gestalteten Kostümen strömen auf die Bühne, die jetzt die Arche von Noah, auch Manu genannt, ist. Unglaublich, wie gut Rochus Schneider die fließenden Bewegungen und das passgenaue Zusammenspiel der großen Schar von jungen Akteuren aufeinander abgestimmt hat. Erstaunlich ist allein schon, wie reibungslos die vielen Darsteller von der Bühne abgehen, um kurz darauf komplett neu verkleidet an anderer Stelle im Geschehen wieder aufzutauchen. Obwohl man es nicht sehen kann, wird hier deutlich, welche Scharen von vor allem Helferrinnen dafür vor und hinter der Bühne nötig sind.

Doch die jugendliche Begeisterung und einfallsreiche, aber sparsam eingesetzte Bühnenausstattung, gepaart mit perfekter Beleuchtung (Stephan Kraske), machen nicht nur den Durchzug der Israeliten durchs Rote Meer zu einem Erlebnis der besonderen Art: Ob es nun die geballten Massen der Hebräer sind, das von Stoffbahnen stilisierte Meer oder das darin sterbende Heer des Pharaos. Die Pause bedeutet auch den großen Schnitt im Geschehen: Danach geht es mit dem Neuen Testament weiter, in dem berührend die Taufe im Jordan in Szene gesetzt wird. Im Zeitraffer geht es über die Wunder, die Jesus getan hat, zu seiner Leidensgeschichte und seinem Tod am Kreuz. (…)

Mit dem gewaltigen Bild mit allen Schauspielern, die das neue Bild von einer neuen Welt verkörpern, endet das beeindruckende Geschehen: Das Licht vom ersten Schöpfungstag leuchtet am Ende aller Tage verwandelt auf. Aus dem Garten des Paradieses ist die vollkommene Stadt geworden. Und alle Beteiligten sind überglücklich, dass alles so gut funktioniert hat und die Begeisterung die Zuschauer angesteckt und mit in die Schöpfungsgeschichte gezogen hat.

Die Mythen und Mysterien unserer christlich-abendländischen Kultur bildeten die Grundlage für diese berührende Bühneninszenierung mit Eurythmie, Schauspiel, Sprechchor und Rezitation. Zwei Aufführungen in der Stadthalle Ransbach-Baumbach boten etwa 1400 Zuschauern die Möglichkeit zum Mit-Erleben. Und in den Osterferien hatten die Akteure schon zu einer verkürzten Aufführung in der Schweiz gastiert. Man darf schon gespannt sein, was die Projektbeteiligten in fünf Jahren wieder auf die Beine stellen.