Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz

Kleine Musiker ganz groß

Nassauische Neue Presse vom 19.12.2016

Von ANKEN-BOHNHORST-VOLLMER

Sehr gut, weitermachen! An drei Abenden präsentieren die Schüler des Landesmusikgymnasiums drei verschiedene Programme. Bereits der erste Teil bot zwei Uraufführungen, großartige Solisten und eine Sechstklässlerin mit sensationeller Ausstrahlung.

Montabaur. Viel Zeit blieb dem jungen Mann nicht mehr, um sein Vorhaben zu verwirklichen: Einmal in seiner Schullaufbahn wollte er beim Yellow Tone Orchestra, der vielfach ausgezeichneten Big Band des Landesmusikgymnasiums, mitspielen. Einmal mitjazzen und -swingen, einmal musikalisch ausflippen. Nur spielt er erstens Klarinette und damit kein Big-Band-Instrument, und zweitens schreibt er in wenigen Wochen sein Abitur und hat dann das Ende seiner Schülerkarriere erreicht. Das Weihnachtskonzert war für Simon Dupp somit die letzte Chance für einen Auftritt. Die nutzte er und präsentierte eine mit seinem Mitschüler Konstantinos Papa geschaffene Komposition „Ludwig-van-Swinghoven“, ein Beethoven-Kracher mit Klezmer-Klarinetten-Soli. Er spielte, dirigierte und war einer der ganz Großen dieses Abends – was sich allerdings ein wenig relativiert, weil es an dieser Schule ohnehin keinen musikalischen Kleinwuchs gibt.

Wohl aber kleine Schüler. Eine Vielzahl von Streichern aus der Unterstufe etwa, die im Streichervororchester „Sägewerk“ unter der Leitung von Sabine Melchiori gemeinsam musizieren und an diesem Abend von einigen Abiturienten unterstützt wurden. Georg Friedrich Händels „La Réjouissance“ und ein spannendes Arrangement von „The Angels Sing“ von Leonard Slatkin hatten die sehr jungen Musiker vorbereitet und verschafften damit den Zuhörern einen Eindruck von musikalischer Basisarbeit: Jede Stimme für sich ist wohlklingend. Die große Kunst aber besteht darin, aus den einzelnen Tönen Musik zu machen, die in ein brausendes Finale mündet. Das gelang den Kleinen und nötigte den Großen viel Respekt und langanhaltenden Applaus ab.

Dennoch gibt es wenige Ereignisse, die Standing Ovations rechtfertigen. Die Uraufführung von Sinfonieorchester, Gospelchor Born Again und dem Solisten Dr. Mathias Charton war so ein Ereignis. „Jubiläum“ ist der Titel der Programmmusik, die der Dirigent Winfried Vögele zur diesjährigen Jubiläumsfeier der Schule komponiert hatte. Beschrieben wird darin ein Moment aus dem Schulalltag. Es geht um Ruhe und Kraft, die die Musik befördert, und es geht um die Freude darüber, an diesem Schulleben teilhaben zu können. Abgesehen von Gitarre, Saxophon und Akkordeon wird hier die gesamte Instrumentalbreite abgebildet.

So ergreifend war dieses Werk mit Bariton-Solist, Chor und Orchester, dass Sekundenbruchteile nach dem letzten Ton Montabaurs Stadtbürgermeisterin Gabi Wieland als Erste aufstand, um ihre Begeisterung und Wertschätzung für diese großartige Leistung zu zeigen.

Beeindruckende Vorstellungen gaben auch die zahlenmäßig kleineren Ensembles, der Mittelstufenchor Prima La Voce, den Schulleiter Richard Moser souverän durch ein weihnachtliches „Spiritual Medley“ und Händels „Praise The Lord“ führte. Ebenso hoch konzentriert wie die Sänger spielten auch die Schüler des Blechbläserquartetts ihr feierliches Programm: Gabrielis „Sonata La Terza“ und Chris Hazells „Steppin Out“. Dass deren Leiter Martin Balser nicht mit ihnen auf der Bühne stand, war schade, schmälerte den musikalischen Wert aber keineswegs.

 

Aufeinander hören

Denn auch das Aufeinanderhören lernen die Musikgymnasiasten. Der Klang hat viele Facetten, von denen jede einzelne glänzen und rhythmisiert werden muss. Wie das geht, zeigte das von Markus Schwind erst vor wenigen Monaten gegründete Ensemble Ars Nova mit seiner Interpretation von John Cages „Living Room Music II“, einem Stück rhythmischer Sprechmusik in Wohnzimmeratmosphäre.

Neben den Ensembles und den erfrischenden Moderatorinnen Mareike Thomé und Fayola Tabea Schönrock gab es bei diesem Konzert auch herausragende Solisten, zum Beispiel den Abiturienten Jakob Hirschmann aus der Klavierklasse von Natalia Adomeit. Er verabschiedete sich mit einem Satz aus Chopins Sonate Nr. 2, f-Moll, den er mit unglaublicher Leichtigkeit und großer Freude spielte – und vermutlich hätte er noch weiter gespielt, hätte es das Programm des Abends zugelassen.

Den größtmöglichen Knallpunkt des Konzerts aber setzte ein Mädchen, das noch am Anfang seiner Gymnasiallaufbahn steht. Sechstklässlerin Janine Charton sang mit dem Chor ihrer Jahrgangsstufe (Leitung: Tobias Simon) und der Jazzcombo On Cue eine Version von „California Dreamin“, die die Stadthalle in ihren Grundmauern erschütterte: Ein sehr junges Mädchen mit einer derart ausdrucksstarken, strahlenden Stimme zu hören – und zu sehen, dass jede Faser dieses Kindes in Schwingung ist und diese Schwingung ins Publikum transportiert, das hat Montabaur noch nicht erlebt. Man darf gespannt sein, was dieses Mädchen erreichen möchte.